Es ist schon mit der Würde des Gerichts in keiner Weise in Einklang zu bringen, wenn in einem Urteil höchstpersönliche Wertungen zur Attraktivität von Prozessbeteiligten bzw. Tatopfern angestellt werden. (3 OLG 7 Ss 70/17  Oberlandesgericht Bamberg 24. August 2017).

Eine Menge an Fehlern macht ein Urteil rechtsfehlerhaft. Neben der Menge an groben Verstößen ist beachtlich, dass das Gericht auch nicht nachvollziehbare Erwägungen mit in das Urteil einfließen lassen hat. Zudem sollte der Vorsitzende sich noch einmal in das erste Semester Jura setzen und den allgemeinen Teil nachholen. Irrtumsregeln wurden nicht beachtet. Das Urteil mangelt an Darstellung und Erörterung. 

“Der Rechtsfolgenausspruch weist eine Vielzahl von gravierenden Rechtsfehlern auf. Bereits die Strafrahmenwahl durch das Landgericht ist rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht das Vorliegen eines minder schwerer Falls i.S.d. § 177 Abs. 5 StGB a.F. verneint hat. Dies hat zudem Auswirkungen auf die Bemessung der Einzelstrafen.”

Dieser Fehler passiert manchem Gericht, wenn nicht beachtet wird, dass sich das Gesetz geändert hat. Weiterbildungspflicht obliegt auch den Gerichten. Der nächste Teil zeigt es auch.

 

 

“Das Landgericht hat gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen, soweit es im Fall der vollendeten sexuellen Nötigung zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, dass dieser sein Opfer unter massivem Körpereinsatz gegen die Wand gedrückt habe. Es kann jedoch auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden, dass der Angeklagte mit seinem Verhalten das Maß an Gewalt überschritten hätte, das zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich war.”

Hier hätte das Gericht mehr ausführen müssen! Natürlich kann man über diesen Punkt auch streiten. Es wird aber noch besser. Lesen Sie bitte weiter!

 

 

“Soweit das Landgericht die Auswirkungen der Taten für die Verletzte pp. strafschärfend berücksichtigt hat, hat es ein weiteres Mal gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Die festgestellten Tatfolgen in Form von psychischen Belastungen gehen nämlich nicht über das Maß hinaus, welches bei Sexualverbrechen üblicherweise zu erwarten ist. Regelmäßige Tatfolgen dürfen dem Angeklagten indes wegen der Bestimmung des § 46 Abs. 3 StGB gerade nicht angelastet werden (BGH, Beschlüsse vom 27.10.2010- 2 StR 489/10 = StV 2011, 158 = BGHR StGB § 46 Abs. 3 Totschlag 3; 09.12.1997 – 4 StR 596/97 [bei juris] und 09.01.1987 – 2 StR 641/86 = StV 1987, 146 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 5).”

Hier hätte das Gericht zu den Tatfolgen mehr ausführen oder es einfach sein lassen müssen. Aber das Gericht kann auch amateurhaft.

 

 

“Die Strafschärfungserwägung, der Angeklagte lasse sich „völlig unreflektiert von seiner Überzeugung leiten, dass die sexuelle Belästigung von Frauen unterhalb einer Vergewaltigung straflos sei”, stellt einen weiteren Rechtsfehler dar. Die Berufungskammer hat damit zulasten des Angeklagten gewertet, dass er bei der Tatbegehung davon ausging, sich rechtens zu verhalten. Dies stellt indes keinen zulässigen Strafschärfungsgrund dar, weil das Bewusstsein, Unrecht zu tun, gerade Voraussetzung der Strafbarkeit ist, wie § 17 StGB belegt (vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 05.02.2015 – 2 StR 496/14 = BGHR 2015, StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 8 = StV 2015, 637). Andererseits war die Fehleinschätzung des Angeklagten ohne weiteres vermeidbar und es bestand zudem kein Anlass, eine Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2 StGB auch nur in Erwägung zu ziehen. Denn die vom Landgericht zu Grunde gelegte „Überzeugung” des Angeklagten ist letztlich Auswirkung einer ausgeprägten Rechtsblindheit (vgl. hierzu Stemberg-Lieben/Schuster in: Schönke/Schröder StGB 29. Aufl. § 17 Rn. 26; Roxin JR 2017, 83), zumal sich für jedermann, und zwar auch für den juristischen Laien, die Strafbarkeit der festgestellten Verhaltensweisen geradezu aufdrängt.”

Jura erstes Semester: Der Irrtum! §§ 16, 17 StGB. Das ist einfaches Damentennis. Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, aber das ist doch ein Anfängerfehler. Dann hätte das Gericht sich auch diese Feststellung ersparen können. Und jetzt kommt aber der “Knüller”.

 

 

Soweit das Landgericht strafschärfend wertet, dass es sich bei den Tatopfern um Frauen handelt, die gegenüber anderen Kolleginnen, die der Angeklagte nur mit „anzüglichen Bemerkungen” verbal „belästigt” hatte, weniger „attraktiv” waren, liegt ein weiterer ebenso grober wie evidenter Rechtsfehler vor.”

Was hat die Kammer denn da geritten? Richtig bemerkt die Revisionsinstanz:

“Es ist schon mit der Würde des Gerichts in keiner Weise in Einklang zu bringen, wenn in einem Urteil höchstpersönliche Wertungen zur Attraktivität von Prozessbeteiligten bzw. Tatopfern angestellt werden. Eine derartige, gegen das jedem Gericht obliegende Sachlichkeitsgebot verstoßende und anmaßende Vorgehensweise, die einer Verhöhnung der Opfer gleichkommt, würde zwar per se den Angeklagten noch nicht beschweren. Das Tatgericht hat aber, ungeachtet der damit offenbarten Distanzlosigkeit, seine persönliche Einschätzung zur (geringeren) Attraktivität der Tatopfer auch noch zum Anlass genommen, hierin einen Strafschärfungsgrund zu erblicken, was unhaltbar ist. Denn es versteht sich von selbst, dass das äußere Erscheinungsbild der Opfer von Sexualstraftaten in keinem Zusammenhang mit den allein für die Strafzumessung maßgeblichen Kriterien des Unrechts und der Schuld des Angeklagten steht.”

 

 

Konsequenz des Senats:

“Auch wenn die verhängten Strafen in Anbetracht des Tatbilds und aller relevanten Umstände des Einzelfalls nicht von vornherein als überzogen erscheinen, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf den vielfältigen und groben Fehlern, die dem Landgericht unterlaufen sind, beruht i Sd § 337 Abs. 1 StPO, was zu seiner Aufhebung führt. Denn die Bestimmung der Strafhöhe ist nicht Aufgabe des Senats, sondern des Tatrichters. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Berufungskammer bei der gebotenen Orientierung seiner Strafzumessungserwägungen an der Schwere des verwirklichten Unrechts und der Schuld des Angeklagten, zu niedrigeren Strafen gelangt wäre.”

 

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